“Dortmunder Signal” nach der verlorenen Bundestagswahl

Nach den ernüchternden Ergebnissen der Bundestagswahl nimmt der direkt wieder gewählte Marco Bülow mit dem “Dortmunder Signal” Stellung:

SPD grundlegend erneuern!

Diese Wahl ist ein Desaster. Es gibt hier nichts mehr schönzureden oder zu beschwichtigen. Es ist deshalb gut, dass die Parteispitze eine große Koalition ausgeschlossen hat. Bei den letzten drei Bundestagswahlen haben wir die drei schlechtesten Ergebnisse seit 1949 eingefahren. Der Vertrauensverlust ist enorm. Von über 20 Millionen Wählern im Jahr 1998 sind 2013 noch gut 11 Millionen und 2017 nur noch 9,5 Millionen übrig geblieben. Seit 2000 haben wir über 300.000 Mitglieder verloren (Mitgliederstand Ende 2016: 432.796). Das kurze Aufflackern mit einem neuen Vorsitzenden, kurzfristig guten Umfragen und Parteieintritten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich sehr viele Menschen von der SPD abgewandt haben. Nur die ganz Treuen sind uns geblieben, meist werden wir nur noch als Korrektiv, als kleineres Übel gewählt.

Ein „Weiter so“ wie nach den letzten beiden Bundestagswahlen darf es auch in der Opposition nicht geben. Ein „Weiter so“ würde die Partei spalten und Mitglieder wie Unterstützer endgültig verprellen. In der Großen Koalition haben wir stark an Vertrauen und Profil eingebüßt. Ob ungerecht oder nicht, als Juniorpartner konnten wir die Menschen nicht davon überzeugen, dass wir die treibende Kraft sind. Zudem wurde die SPD von oben nach unten regiert und aus einer lebendigen streitbaren Partei ist zu sehr ein Wahlverein geworden. Das Feld wurde lange den Beratern und Handelnden der AGENDA-Politik überlassen. Vor allem der Markenkern der SPD, „die soziale Gerechtigkeit“, ist dabei häufig unter die Räder gekommen. Von allen Wahlberechtigten hat uns nicht mal mehr jeder Siebte gewählt. Aber wer jetzt glaubt, das müsse das Ende der Fahnenstange sein, der täuscht sich schon wieder, denn wir erleben in Europa, wie sozialdemokratische Parteien vollends unter die Räder kommen können. Wir stehen auf der Kante und müssen endlich begreifen, um was es geht.

Glaubwürdig wird ein Neuanfang nur, wenn man Verantwortung für die herbe Niederlage übernimmt. Dabei geht es nicht um den „Sündenbock“ und nicht um den neuen Parteivorsitzenden. Aber es geht sehr wohl um personelle Verantwortung, vor allem derjenigen, die schon länger unseren Kurs an den Schalthebeln der Partei, der Regierung und der Fraktion maßgeblich mitbestimmt haben. Keine Erneuerung ist glaubwürdig, wenn die gleichen Leute, deren Strategie und Führung gescheitert ist, wieder die wichtigen Positionen besetzen. Die Weichen dürfen nicht sofort beim anstehenden Bundesparteitag oder den ersten Fraktionssitzungen gestellt werden. Es ist genau unser Problem, wenn beispielsweise die neu gewählten Abgeordneten schon vor der ersten Fraktionssitzung erfahren, wer ihr neuer Vorsitzender wird. Vielmehr sollte ein Bundesparteitag nach einer umfassenden Diskussion die Fraktion und dann im nächsten Jahr die Neuausrichtung der Partei personell gestalten. Demokratischer, moderner, lebendiger Die Basis ist das Herz unserer Partei, sie muss mehr und deutlicher eingebunden werden. Wichtige Entscheidungen dürfen nicht durch Parteikonvents beschlossen werden, wo hauptsächlich Mandatsträger und hohe Parteifunktionäre sitzen. Mitgliederbefragungen und auch die Einbeziehung von Sympathisanten und Bündnispartnern müssen erleichtert werden. Der Parteiapparat muss modernisiert, Zugänge und Mitbestimmung gerade auch online erleichtert werden. Wir benötigen mehr inner- und außerparteiliche Transparenz. Und wir brauchen mehr Debatten und politische Auseinandersetzungen, mehr Lebendigkeit – die SPD war dann am stärksten, als sie heftig um die Themen gerungen hat. Geschieht dies im offenen Prozess, dann wird sie am Ende geschlossener in die Auseinandersetzung mit der politischen Konkurrenz treten.

Gerade heute ist eine starke Sozialdemokratie wichtig für unser Land und Europa. Die SPD hat eine stolze Geschichte und sie war Garant für Frieden, Freiheit, Solidarität und Gleichberechtigung. Wir waren und sind unglaublich wichtig für die Entwicklung unseres Landes und dafür, dass Demokratie nicht marktkonform, sondern der Markt sozial gestaltet wird. Dazu müssen wir mit unserer Politik wieder Viele erreichen. Dazu brauchen wir wieder Visionen, Botschaften, die vernünftig sind UND begeistern. Wir müssen Kopf UND Bauch erreichen.

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