Antrag zu CETA vom 02.08.2016

Antrag an den SPD-Parteikonvent am 19.9.2016  

(in Barop bei einer Enthaltung einstimmig so beschlossen)

Die SPD lehnt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) ab. Es steht in wesentlichen Punkten im Widerspruch zum Beschluss des Parteikonvents aus dem Jahre 2014 („Unsere Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche“). Insgesamt bevorteilt CETA private Gewinninteressen zulasten des Gemeinwohls und zulasten von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen und der Umwelt.

Die SPD lehnt  es ab, CETA ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesrat in Kraft zu setzen oder vorläufig anzuwenden. Absolut nicht tragbar ist eine Ratifizierung ohne die Beteiligung der nationalen Parlamente, in Deutschland also der Bundestag und der Bundesrat. Darüber hinaus darf es nicht dazu kommen, dass CETA vorläufig in Kraft gesetzt wird und danach erst die Nationalparlamente darüber abstimmen können. Dagegen müssen sich die SPD und ihre Spitze zur Wehr setzen.

CETA ist ein „gemischtes“ und kein „rein europäisches“ Abkommen. Es greift tief in die Gesetzgebung der nationalen Parlamente ein. Insbesondere die Einrichtung von Schiedsgerichten (Tribunalen) greift in die nationale Eigentums- und Gerichtsordnung ein. Wenn CETA weiter durchgesetzt wird, müssen die Abgeordneten zur Not dagegen klagen und damit CETA aufhalten.

Daher müssen sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat in den gesetzgeberischen Ratifizierungsprozess durch ein Zustimmungsgesetz von CETA einbezogen werden. Alles andere ist ein Wortbruch der Bundesregierung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, den die SPD nicht mittragen wird.

Gerade nach dem Votum für den Brexit in Großbritannien ist der Versuch die nationalen Parlamente im Gesetzgebungsprozess zu CETA auszuschalten ein Affront gegen die Demokratie, der die Vertrauenskrise gegenüber der Europäischen Union verschärft.

CETA steht insbesondere aus folgenden Gründen im Widerspruch zur Beschlusslage der Partei:

  1. Nach wie vor enthält CETA Schiedsgerichte, die einseitig die Interessen von Investoren schützen sollen. Auch die Veränderungen im Verfahrensrecht in Bezug auf frühere private Schiedsgerichte ändern nichts an dem grundlegenden Problem, dass große Unternehmen Staaten verklagen können soweit sie sich nicht „gerecht und billig“ behandelt fühlen. Ein gleichwertiger Schutz für Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen und dem Schutz der Umwelt ist nicht vorgesehen. Daher führen Schiedsgerichte, die einseitig die Interessen von Unternehmen schützen, zu einem Ungleichverhältnis zugunsten des Kapitals und zulasten der Arbeitnehmer*innen. Bei Abkommen zwischen Staaten, die Rechtsstaatlichkeit gewährleisten, sind Schiedsgerichte überflüssig. Zudem darf man sich auch nicht darauf einlassen eine Zwischenform zwischen den bisherigen Schiedsgerichten und der wirklichen Gerichtsbarkeit zu schaffen. Es muss dabei bleiben: Bei Abkommen zwischen rechtsstaatlichen Ländern, muss dann auch die Rechtsstaatlichkeit der Nationalstaaten unberührbar bleiben und die Entscheidung treffen.
  2. CETA schränkt die Entscheidungshoheit der Parlamente ein, wenn große Unternehmen bei Gesetzesvorhaben beispielsweise zum Schutz der Umwelt oder bei Mindestlohnregelungen mit hohen Schadenersatzansprüchen vor Schiedsgerichten drohen können. Die Klagen von großen Unternehmen gegen Staaten vor Schiedsgerichten sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Weiter wird das Recht der Parlamente eingeschränkt, wenn „Gemeinsame Ausschüsse“ („Joint Committees“) mit Mitgliedern aus der EU und Kanada das Recht erhalten sollen zum Beispiel ungeklärte Rechtsbegriffe wie „gerechte und billige Behandlung“ zu bestimmen.
  3. Das Vorsorgeprinzip wird in CETA zum größten Teil aufgegeben. Das Vorsorgeprinzip in Europa sorgt dafür, dass Produkte erst dann auf den Markt gelangen können, wenn es keine Risiken für die Verbraucher*innen gibt. In Kanada gilt das Nachsorgeprinzip. Danach dürfen Produkte erst vom Markt genommen werden, wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, dass sie für Menschen, Tiere oder die Umwelt schädlich sind. Daher besteht das Risiko, dass Produkte aus Kanada auf den europäischen Markt gelangen, die in der EU nach dem Vorsorgeprinzip nicht zugelassen wären. Der Teufel liegt dort im Detail. Wenn man sich den Vertrag genau anschaut, wird man, allen Zusicherungen zum Trotz, sehen, dass das Vorsorgeprinzip nicht beibehalten wird.
  4. Kanada akzeptiert lediglich sieben von acht ILO-Kernarbeitsnormen. Für die SPD sind ILO-Kernarbeitsnormen Menschenrechte, die nicht verhandelbar sind. Diese Normen sind zwar von Kanada angenommen worden, aber wir müssen klar wissen, ob sie auch umgesetzt werden. Auch in Europa haben viele Länder die Arbeitsnormen unterzeichnet, einige wenden sie trotzdem nicht an.

 

  1. Die SPD steht bei Freihandelsabkommen für den Positivlistenansatz. Das bedeutet, die Wirtschaftsbereiche, die Gegenstand des Abkommens sind, werden benannt. Bei CETA wird aber der Negativlistenansatz angewendet: Das bedeutet, grundsätzlich fällt alles unter den Zwang den Marktprinzipien unterworfen zu werden. Es werden lediglich die Sektoren aufgeführt, die nicht privatisiert werden sollen. Das hat weitreichende Auswirkungen für die Organisation der Daseinsvorsorge. Hier wird die Entscheidungsfreiheit regionaler Körperschaften teilweise eingeschränkt. So wird zum Beispiel das „In-House-Verfahren“, nach dem zum Beispiel Kreise oder Städte den Öffentlichen-Personen-Verkehr an öffentliche Busunternehmen vergeben können, in Frage gestellt. Rekommunalisierungen von jenen privatisierten Unternehmen, die im Anhang des CETA-Textes aufgeführt sind, werden ausgeschlossen. CETA enthält somit große Risiken für die öffentliche Daseinsvorsorge. Die Forderung, die öffentliche Daseinsvorsorge von CETA auszunehmen, wird nicht erfüllt.

Insgesamt muss man CETA sehr kritisch bewerten, da die roten Linien – so wie es der SPD-Konvent gefordert hat – nicht eingehalten werden, sondern sogar in vielfältiger Weise deutlich  überschritten werden.

Die Verhandlungen fanden ohne Transparenz, ohne Debatte, ohne Beteiligung der Parlamente und ohne ausreichende Rückkopplung mit der Zivilgesellschaft statt. Weder die nationalen Parlamente noch das EU-Parlament hatten oder haben Möglichkeiten der Einflussnahme. Damit besteht die Gefahr, dass das CETA-Abkommen die Demokratie aushöhlen wird. Es können hinter verschlossenen Türen weitreichende Entscheidungen fällen, die Millionen Bürger*innen betreffen – ohne dass gewählte Abgeordnete mitreden dürfen. Damit wird die Demokratie ad absurdum geführt und Fakten geschaffen, die durch nachgelagerte eventuelle parlamentarische Entscheidungen in den Mitgliedsstaaten nicht rückholbar sind.

Die SPD ist dazu aufgerufen, einen eigenen Vorschlag zu erarbeiten, wie die Verhandlungen bei Handelsabkommen in der Zukunft aussehen sollten. In diesem Prozess sollte z.B. die Zivilgesellschaft mit einbezogen werden, die Verhandlungsrunden müssen transparenter gestaltet werden und auch die Mitbestimmung der Parlamente muss während der Verhandlungen möglich sein. Inhaltlich sollten wir dazu kommen, dass soziale und ökologische Standards eher ausgebaut als abgebaut werden.